Martin Buber
( im wesentlichen aus der Quelle: „Marin Buber“ von Gerhard Wehr – rororo )
* 8.2.1878 Wien
† 13.6.1965 Jerusalem
Martin Buber wurde als Sohn sehr wohlhabender Eltern geboren. Seine Eltern Elise Buber (geb. Wurgast) und Karl Buber trennten sich 1881, als Martin 3 Jahre alt ist.
Er wächst deshalb bei den Großeltern Salomon und Adele Buber in lebendiger jüdischer Tradition in Lemberg (damals Polen, heute Ukraine) auf.
Sein Großvater, Salomon Buber war ein jüdischer Gelehrter, einer der letzten großen Männer der HaskalaHaskala: = jüdische Aufklärung. Hatte ihren Ursprung im jüdischen Berliner Bürgertum, das von den Schriften vor allem der französischen Aufklärung inspiriert war. Sie spielte in dem Prozess der Judenemanzipation als Mittler zwischen den Eliten der christlichen Mehrheitsgesellschaften und den jüdischen Gemeinden in Europa eine herausragende Rolle. Die Hauptziele richteten sich auf Säkularisierung, also Trennung von Religion und Staat, und Öffnung in die christliche Mehrheitsgesellschaft durch Herstellung persönlicher wie institutioneller Kontakte und Heranführung an jüdische Glaubenslehren. Dabei entwickelte sich eine Spannung zwischen der erstrebten Erneuerung des Judentums und der Konfrontation mit der jüdischen Orthodoxie. Mit der bürgerlichen Revolution in Westeuropa verband sich einerseits die erhoffte Emanzipation der jüdischen Bevölkerung, gleichzeitig entstand eine moderne Judenfeindlichkeit. (aus Wikipedia).
Salomon war ein Meister der jüdischen Sprache und einer der größten Gelehrten und Forscher auf dem Gebiete des MidraschMidrasch: Unter Midrasch versteht man sowohl den Vorgang des Studierens als auch dessen Ergebnis, also Schriftwerke, die Bibelauslegungen enthalten. Der Midrasch bezieht sich immer auf einen autoritativen religiösen Text, in der Regel auf einen Text oder ein Ereignis des Tanach.[= die Heilige Schrift /Bibel des Judentums. Er besteht aus den drei Hauptteilen Tora („Weisung“), Nevi’im („Propheten“) und Ketuvim („Schriften“)] Der Midrasch ist sicher zunächst eine mündliche Form der Schriftauslegung. Die ersten schriftlichen Beispiele finden sich jedoch bereits in der Bibel selbst. (aus Wikipedia).
Die Bindung Martins an seine Großmutter war aber noch tiefer. Sie war eine Kennerin der deutschen, klassischen Literatur.
Die Beziehung zu seiner Mutter war praktisch nicht vorhanden. Er bezeichnete Wiederbegegnungen noch nach Jahrzehnten als „Vergegnung“ (Das Verfehlen einer wirklichen Begegnung).
Die Beziehung zum Vater war positiver. Etwa ab dem 9. Lebensjahr darf er das väterliche Landgut von Karl Buber in der Bukowina (Polen) besuchen. Martin war von dessen verantwortungsvollem Sorgen um die ihn untergebenen Menschen beeindruckt. Auch die Art und Weise, wie der Vater von der Begegnung mit Menschen erzählte, bewegte ihn durch seine Schlichtheit und Direktheit. Auch die Begegnung mit den Tieren auf diesem Landgut prägte das Kind Martin Buber nachhaltig.
Diese spezielle Biografie hat die Beziehung, die Begegnung früh zu einem Lebensthema Martin Bubers werden lassen. Was sich zwischen Menschen begibt, was zu „Begegnung oder zu Vergegnung“ führt, ist die zentrale Grunderfahrung, die zum Denkinhalt und zur Lehre Bubers werden sollte. Es war auch die Bukowina , wo Martin Buber in Kontakt mit den ChassidimDer Chassidismus im osteuropäischen Judentum hat mit dem deutschen Chassidismus des Mittelalters nur wenig mehr als den Namen gemeinsam und übertrifft diesen erheblich an Bedeutung. Er entstand als Reaktion auf die Pogrome unter Führung des Kosaken Bogdan Chmelnizki im Jahre 1648, als in Osteuropa über 700 jüdische Gemeinden vernichtet wurden. Die Chassidim (Mehrzahl von Chassid) versammeln sich besonders am Sabbat und den jüdischen Festtagen um ihren Rabbi (jiddisch „Rebbe“), um in Gebet, Liedern und Tänzen und auch religiöser Ekstase Gott näher zu kommen. Der chassidische Rabbi, genannt „Zaddik“ („Gerechter, Bewährter“, von hebräisch „zedek“ = „Gerechtigkeit“), ist ein charismatischer Führer und Mittelpunkt der Gemeinde und gibt die chassidischen Lehren – oftmals in Form von Erzählungen und Gleichnissen – an seine Schüler weiter. und deren Führern, den Zaddikim kam.
Er war fasziniert von der Erfahrung der „Führerschaft“ durch den Zaddik und das Erleben von Gemeinschaft des Tanzes der Chassidim mit der Thora. Er schrieb:
Damals ging mir eine Ahnung davon auf, dass gemeinsame Ehrfurcht und gemeinsame Seelenfreude die Grundlage der echten Menschengemeinschaft sind.
(in: Mein Weg zum Chassidismus in III, 966)
Er besucht das polnische Gymnasium in Lemberg und danach immatrikulierte er 1896 an der philosophischen Fakultät der Universität Wien.
Zur gleichen Zeit erscheint Theodor Herzls „Der Judenstaat“.
Bisher war Martin Buber mit drei wesentlichen Thematiken in Kontakt:
- Mit den ersten Erfahrungen im Bereich des Zwischenmenschlichen das Erleben der Anderheit des Anderen, das im Grundwort „Ich und Du“ der Hauptgegenstand seines Nachdenkens werden sollte.
- Der Deuter und Botschafter des Chassidismus ist ohne den ersten direkten und darum schicksalhaften Kontakt mit den Chassidim nicht zu denken.
- Die hebräische Bibel, die Buber zur Krönung seines Werkes verdeutschen sollte, konnte ihm in ihrer Gesprochenheit nicht echter vergegenwärtigt werden als durch den Midrasch-Gelehrten Salomon Buber.
(aus: „Martin Buber“ von Gerhard Wehr)
Das gesellschaftliche und kulturelle Leben Wiens droht durch seine Intensität das oben genannte „Erbe“ hinweg zu spülen. Er wurde auch erfasst, durch den „Wirbel des Zeitalters“. Einer dieser Martin Bubler stark beeinflussenden „Wirbler“ war Friedrich Nietzsche, mit seinem „Also sprach Zarathustra“.
Nietzsches Idee von der „ewigen Wiederkehr des Gleichen“ führt ihn an das „sinnverwirrende Rätsel“ von der Zeit und der Ewigkeit.
Als Eindruck der beiden Semester in Wien bleiben Martin Buber der gemeinschaftliche Umgang zwischen Lehrern und Studierenden und das dadurch vermittelte „Zwischen“ –menschliche.
Den stärksten Eindruck aber hinterlies bei ihm das Burgtheater, und das dort „richtig“ gesprochene Menschenwort, seine Mächtigkeit in der „echten Gesprochenheit der Sprache“.
1897 studiert er in Leipzig. Danach auch in Zürich(1899) und Berlin.
Der stärkste Eindruck in Leipzig war der Kontakt mit Bachs Musik.
Er hört aber auch weiterhin Philosophie,, Philologie, Germanistik, klassische Philologie Literatur- und Kunstgeschichte und schließlich auch Psychiatrie und Nationalökonomie.
Religiöse und orientalische Studien fehlen bis dahin noch ganz.
Plötzlich aber taucht die Beschäftigung mit den Mystikern der Renaissance und Reformationszeit auf: Nicolaus Cusanus, Paracelsus, Weigel und besonders Jakob Böhme.Jakob Böhme (* 1575 in Alt Seidenberg bei Görlitz; † 17. November 1624 in Görlitz) war ein bekannter deutscher Mystiker, Philosoph und christlicher Theosoph. Hegel nannte ihn den „ersten deutschen Philosophen“. Die Philosophie von Böhme zeichnet sich durch einen idealistischen Pantheismus aus, der stark mit materialistischen Elementen besetzt ist. Seine Weltanschauung entspricht den frühbürgerlichen Auffassungen. Böhmes Gedanken kreisen um die pantheistische Gleichsetzung von Natur und Gott, um den Gedanken, dass der Widerspruch als ein notwendiges Moment in allen Erscheinungen der Wirklichkeit vorhanden sei, freilich ohne Verwendung des Begriffs selbst, um die Bedeutung des weiblichen Prinzips (Sophia) für wirkliche Erkenntnis und um die Freiheitsfähigkeit des Menschen, die aus dem inneren Bezug zum Urgrund erwächst. Böhme schreibt programmatisch: „So man aber will von Gott reden, was Gott sei, so muß man fleißig erwägen die Kräfte der Natur“ (in: 1 Bd. 2., 21)..
1897 findet der erste zionistische Kongress in Basel statt
Zionismus (von Zion) ist ein Ideengebäude, ein politisches Programm und eine internationale Bewegung, die auf Errichtung, Rechtfertigung und Bewahrung eines jüdischen Nationalstaats in Palästina abzielen. Als Eretz Israel wird dabei ein aufgrund historischer und religiöser Überlieferung beanspruchtes Siedlungsgebiet der Juden in Palästina bezeichnet. Der Zionismus wird als Ideologie den Nationalismen, als politische Bewegung den Nationalbewegungen zugerechnet.
Schlüssel- und Führungsfigur des modernen politischen Zionismus ist Theodor Herzl, der Begriff Zionismus wurde um 1890 von Nathan Birnbaum geprägt. Der Zionismus entstand unter dem Eindruck des zunehmenden Antisemitismus gegenüber der jüdischen Diaspora. Insbesondere Ausschreitungen und antisemitische Schriften und Verschwörungstheorien im russischen Einflussbereich wurden entsprechend thematisiert. Der Zionismus wurde durch andere Nationalismen und moderne soziale Bewegungen beeinflusst, unter anderem durch die der Arbeiterbewegung. Die zionistische Bewegung trug zur Verstärkung mehrerer Phasen der Alija und damit zur Staatsgründung Israels 1948 bei.
(aus Wikipedia)
Martin Buber kommt später in Konflikt mit Theodor Herzl, weil er dessen nationalistische Auffassung nicht teilt, sondern einer messianisch – theokratischen anhängt. Nach dem Tode Herzls lässt auch Buber die politische Tätigkeit hinter sich. Der Zionismus gab ihm aber seine Verwurzelung im Judentum, seinen „Halt“ zurück.
1899 begegnet er der späteren Gattin, der Germanistik – Studentin Paula Winkler
1902 – Begründung des jüdischen Verlages zusammen mit Feiwel, Lilien und Trietsch, Herausgeberische Tätigkeit.
1902 – 1904 Intensive Beschäftigung mit der jüd. Überlieferung
1904 Herzl stirbt
– 1904 In der Zeit der Jahrhundertwende, einer Lebenswende auch bei Martin Buber, nutzt er den Rückzug aus der politisch/zionistischen Agitationsarbeit um sich intensiv der jüdischen Überlieferung zu widmen und für seine philosophische Doktordissertation (Philosophie und Kunstgeschichte) über Beiträge zur Geschichte des
IndividuationsproblemsDas Individuationsprinzip ( lat. „principium individuationis“ von „individuare“ zu „individuus“ : unteilbar) bezeichnet das, was die Individualität und Konkretheit des Seienden bedingt und ermöglicht und was die Vielfalt und Verschiedenheit der Individuen erklärt. Die Individuation – eigentlich: Unteilbarmachung – bezeichnet * die Besonderung des Allgemeinen, Einheitlichen im Einzelwesen (z.B. der Weltsubstanz in den Einzeldingen, der Menschheit in den einzelnen Völkern und Menschen) * den Prozess der Selbstwerdung des Menschen, in dessen Verlauf sich das Bewusstsein der eigenen Individualität bzw. der Unterschiedenheit von anderen zunehmend herausbildet..
Dieses Thema ergab sich aus dem Studium der deutschen Mystik.
1905 Die Geschichte des Rabbi Nachman (Werk), Die Gesellschaft (Werk), Sammlung sozialpsychologischer Monografien.
Herausgeberschaft bis 1912
1908 Die Legende des Baalschem
1904-1912kann man als Buber’s mystische Periode bezeichnen. Er intensiviert seine wissenschaftliche Arbeit, vornehmlich zur Erforschung des jüd. Chassidissmus
Er stößt dabei auf die Schriften des Rabbi Israel, genannt Baal-Schem-Tow (1700-1760). Darin begegnete ihm der Chassidismus erneut und begleitete ihn in dieser existentiellen Form von da an.
Auf dem Hintergrund der tieferen Kenntnis der hebräischen Sprache, vermittelt durch den Großvater, reift bis 1917 der Gedanke eine Neuverdeutschung der „Schrift“ zu wagen. Seine Arbeit wird von einem tiefen religiösen Erleben begleitet. Er erlebt Gott als der Welt innewohnend. Dieser Welt – immanente Gott ist aber von majestätischer TranszendenzReligiösen und philosophischen Verständnissen vom Transzendenten ist gemeinsam, dass dieser Begriff eine Wirklichkeit bezeichnet, die das voraussetzungslos sinnlich Wahrnehmbare überschreitet. Damit transzendentiert das Verstehen des Sinnlichen seine Wahrnehmung auf etwas – ein Drittes, das in seiner Beziehung zum Wahrnehmbaren erst bestimmt werden muss..
Transzendenz und Immanenz Gottes sind für Buber kein Widerspruch, weil für ihn Gott nicht „in der Welt aufgeht“ und daher keine Immanenz im Sinne SpinozasBaruch de Spinoza, (* 24. November 1632 in Amsterdam; † 21. Februar 1677 in Den Haag) war ein niederländischer Philosoph mit sephardischen (iberisch-jüdischen) Vorfahren. Er wird dem Rationalismus zugeordnet und gilt als einer der Begründer der modernen Bibelkritik. Sicherlich war er einer der radikalsten Philosophen der Frühen Neuzeit. Spinoza: Gott ist die unendliche, substantiell in ihren Eigenschaften konstante, einheitliche und ewige Substanz – Er meint also: „Deus sive natura“, die Gleichsetzung von Gott und Natur. Spinoza schloss jede Willensfreiheit aus (auch die Gottes). Alles geschieht aus kosmischer Notwendigkeit; den Begriff „Wille Gottes“ nannte er „das Heiligtum der Unwissenheit“. erfährt …
.. und doch ist in aller Leiblichkeit ein heiliges Leben. Dies bietet die Möglichkeit des „In-der-Welt-Seins“ und des „Bei-Gott-Seins“. Es geht ihm darum, eine reale Verwirklichung der Einigung dieser Seinsweisen. Zu dieser Zeit fasziniert ihn noch das ekstatische Einheitserleben des Mystikers, also Begegnung mit Gott im weltentrückten Einzelmenschen.
1909 Ekstatische Konfessionen (Zeugnisse oben genannter mystischer Erfahrungen aus verschiedenen Kulturkreisen und Geistesepochen.)
1910 Reden und Gleichnisse des Tschuang Tse (Übersetzung); Die Lehre vom Tao (als Nachwort)
Diese Position des Erstrebens von Erlebnissen des Herausgehobenseins verlässt Buber aber in der Folge. Seine Hinwendung zum Menschen, zum Lebendigen, zur „creatura“ wird schon 1913 in seiner Prosadichtung Daniel – Gespräche von der Verwirklichung sichtbar. Es findet eine Abkehr von der Versenkungsmystik statt.
Im Jahre 1916 beginnt sich das auszugestalten, was sieben Jahre später, 1923 zur Veröffentlichung von „Ich und Du“ führt.
„Ich und Du“ ist die Kernschrift, das Kernstück seiner Lehre.
Alle anderen zu diesem Themenkreis gehörenden Schriften in der Folge sind im Grunde Kommentare, Ergänzungen, Abgrenzungen und Antworten auf Frage und Kritik.
Die Schriften zum dialogischen Prinzip sind neben „Ich und Du“ vor allem
1930 Zwiesprache
1936 Die Frage an den Einzelnen
1943 Das Problem des Menschen
1953 Elemente des Zwischenmenschlichen
Martin Buber – Das dialogische Prinzip
Das „dialogische Prinzip“ ist eine Haltung, mit der der Einzelne der Wirklichkeit gegenübertritt. (WERNER 1994, S. 20) Seine Schriften zum Dialogischen lassen den Menschen begreifen als den personalen Ort des Zusammenwirkens von Distanz und Beziehung.
Im Folgenden werde ich versuchen die Schriften darzulegen, die die Kernschriften zum Dialogischen Prinzip ausmachen. Da Martin Buber, wie er selbst sagte, keine Lehre verbreiten wollte, muten diese Schriften selbst, konsequent eher wie Gespräche an, die Buber mit einem Leser als Gegenüber führt. Dieser Umstand bestimmt daher auch den Charakter der Auseinandersetzung mit ihnen zu einem guten Teil.
Ich und Du (1923)
In „Ich und Du“ wird das dialogische, das Aufeinander-bezogen-sein, die Beziehung herausgearbeitet.
Buber spricht von 2 möglichen Haltungen des Menschen.
Ich-Du anerkennt ein personales Gegenüber. Ich trete damit in Beziehung zu diesem Du. Ich selbst wende mich damit als Person einer Person zu.
Ich-Es lässt nur eben ein Es, ein Objekt gelten, zu dem sich das Ich wie ein Subjekt, nicht aber wie eine Person verhält.
Deshalb kann Ich-Du nur mit dem „ganzen Wesen“, Ich-Es aber nie mit dem „ganzen Wesen“ gesprochen werden. Wo das Gegenüber als ein „Es“ betrachtet wird, von einer Zuschauerhaltung objektartig in Augenschein genommen wird, ist Beziehung personhafter Hinwendung ausgeschlossen.
Ich rede nicht an; ich rede über ein oder von einem Es.
Ich verschaffe mir Wissen von diesem Es. Ich-Es gewährt demnach Erfahrung. Erfahrung ist nur kraft des Ich-Es-Verhältnisses möglich, und zwar um den Preis der „Du-Ferne“.
Wirkliches Leben ist daher nur präsent, wo Ich-Du Beziehung verwirklicht wird.
Buber formuliert: „Der Erfahrende hat keinen Anteil an der Welt. Die Erfahrung ist ja ‚in ihm‘ und nicht zwischen ihm und der Welt“
Das bedeutet, dass der Mensch in der Erfahrung nicht über sein Bewusstsein hinaus gelangt, in eine Beziehungs – Realität, sondern das Neue in vorhandene Wissensbestände einfügt. Was da eingefügt wird, ist aber eine Art Abbild und nicht die Wirklichkeit des Gegenstandes selbst. Da aber der Prozess des Erkennens von etwas Erfahrbarem ein Abgleich mit bereits im Bewusstsein Vorhandenem ist, ist der Ort der Erfahrung die Vergangenheit.
(Vergleiche hierzu die Arbeiten Gerald Hüthers zur Gehirnforschung, wo dargelegt wird, dass das Gehirn nur an bereits vorhandenen Strukturen weiterbaut und vollkommen Neues, welches an keiner vorhandenen Struktur ansetzen kann einfach ignoriert wird.)
Das Ich in Ich-DU ist ein anderes, als das in Ich-Es. Wo also das Du angesprochen wird, in Wahrheit und nicht bloß vermeintlich oder vorgetäuscht, da erlangt der Mensch sein Menschsein. Buber sagt:
„Ich werdend spreche ich Du“
Wichtig ist, dass er auch vom „ewigen Du“ spricht. In mit und unter der Ich-Du Beziehung verwirklicht sich für ihn die Gottesbeziehung, die Gottesbegegnung. Die vertikale Gottesbeziehung und die horizontal – menschliche sind gleichwertig/ident.
Die beiden Grundworte gehören verschiedenen Welten an:
Ich-Du gehört der Du-Welt an, die Raum und Zeit überschreitet.
– lebt im „Hier und Jetzt“
– Der Augenblick hat „Präsenz“
Gegenwart ereignet sich nur als Gegenwärtigkeit, also in der Begegnung und in der Beziehung.
Nur dadurch, daß das Du gegenwärtig wird, entsteht Gegenwart.
Gegenwärtigkeit lebt von Gegenseitigkeit, also von der Aufkündigung einer einseitigen Subjekt-Objekt-Situation.
Ich-Es gehört der Es-Welt an, die Zusammenhang in Raum und Zeit hat.
– lebt, gemessen an der Du-Begegnung „in der Vergangenheit“
– Sein Augenblick ist „ohne Präsenz“
Du – Welt
Hier und Jetzt (Augenblick jenseits von Raum und Zeit)
Freiheit
Wille
Schicksal
Person = Subjektivität = dynamisch
Verbundenheit
Ich bin
Es – Welt
Vergangenheit (Augenblick ohne Präsenz)
Ursächlichkeit
Willkür
Verhängnis
Eigenwesen = Subjekt = statisch
Abgehobenheit
So bin ich
Subjektivität ist nicht verwerflich, sondern erwünscht, da es darum geht „von sich aus“ zu reden und nicht von einem künstlich objektiviertem Standpunkt. Es ist aber eine dynamische Subjektivität, die in der eigenen Wahrheit schwingt. Notwendig ist die Bereitschaft sich selbst zu verändern und dem Anderen Anreiz zur Veränderung zu geben. (siehe dazu unten im Text: Merkmale des echten Gesprächs.)
Buber übersieht nicht, dass das Gegenwärtige der unmittelbaren Beziehung keineswegs durchgehalten werden kann und dass Ich-Du wieder in Ich-Es umschlagen muß:
Wer in der Beziehung steht, nimmt an einer Wirklichkeit teil, das heißt: an einem Sein, das nicht bloß an ihm und nicht bloß außer ihm ist. Alle Wirklichkeit ist ein Wirken, an dem ich teilnehme, ohne es mir eignen zu können. Wo keine Teilnahme ist, ist keine Wirklichkeit. (Ich und Du; II) Jedem Du in der Welt ist seinem Wesen nach verhängt, Ding zu werden oder doch immer wieder in die Dinghaftigkeit einzugeh‘n … Das ist die erhabene Schwermut unseres Loses, daß jedes Du in unserer Welt zum Es werden muß.
(und vice versa kann auch jede Ich – Es Beziehung wieder zu einer Ich-Du Beziehung werden.)
Es kann demnach jedes Ding einem Ich als ein Du erscheinen und jedes Du, nach der Auflösung der Beziehung zum Es werden.
Aber gegenständliche Sprache erhascht nur einen Zipfel des wirklichen Lebens.
Im 2. Teil von Ich und Du spricht Buber über die Welt des Geistes. Geist ist für Buber
Antwort des Menschen an sein Du. Geist ist Wort.
Wort nicht im Sinne von Logos sondern als Inbegriff des Korrespondierenden. Buber:
Wie die sprachliche Rede wohl erst im Gehirn des Menschen sich worten, dann in seiner Kehle sich lauten mag, beides aber sind nur Brechungen des wahren Vorgangs, in Wahrheit nämlich steckt die Sprache nicht im Menschen, sondern der Mensch steht in der Sprache und redet aus ihr, – so alles Wort, so aller Geist. Geist ist nicht im Ich, sondern zwischen Ich und Du …. Vermöge seiner Beziehungskraft allein vermag der Mensch im Geist zu leben.
Zur Welt der Gefühle und des sozialen Lebens meint er:
– wahre Gemeinde entsteht nicht dadurch, dass Leute Gefühle füreinander haben (wiewohl freilich auch nicht ohne das), sondern durch diese zwei Dinge; daß sie alle zu einer lebendigen Mitte in lebendig gegenseitiger Beziehung stehen. Das zweite entspringt aus dem ersten ist aber noch nicht mit ihm allein gegeben. Lebendig gegenseitige Beziehung schließt Gefühle ein, aber sie stammt nicht von ihnen. Die Gemeinde baut sich aus der lebendig gegenseitigen Beziehung auf, aber der Baumeister ist die lebendige wirkende Mitte.
So bedarf auch die Ehe, wie das wirtschaftliche und politische Leben der Beziehungskraft Im dritten Teil widmet sich Buber dem „ewigen Du“ und meint damit Gott.
Wer das Wort Gott spricht und wirklich Du im Sinn hat, spricht in welchem Wahn immer er befangen sei, das wahre Du seines Lebens an, das von keinem anderen eingeschränkt zu werden vermag und zu dem er in einer Beziehung steht, die alle anderen einschließt. … Aber auch wer den Namen verabscheut und gottlos zu sein wähnt, wenn der mit seinem ganzen hingegebnen Wesen das Du seines Lebens anspricht, als das von keinem andern eingeschränkt zu werden vermag, spricht er Gott an.
Demnach liegt der Ort der Gottesbegegnung in einem Akt der Verwirklichung, in einem Beziehungsvorgang. Er sieht darin ein Erwähltwerden und Erwählen, Passion und Aktion in einem. Der Mensch muss sich dazu nicht aus der Welt der Sinne begeben. Es ist keine Über – Sinnliche Erfahrung, weil es im eigentlichen Beziehungsvorgang enthalten ist, das Ansprechen des Du das Ansprechen des ewigen Du impliziert. Es muß nicht gesucht werden. Somit:
Wer mit dem ganzen Wesen zu seinem Du ausgeht und alles Weltwesen ihm zuträgt, findet ihn, den man nicht suchen kann … Es gibt in Wahrheit kein Gott-Suchen, weil es nichts gibt, wo man ihn nicht finden könnte.
– also nicht am Rande des Seins, sondern mitten im Leben. Er, der selbst Stationen mythisch-ekstatischen Erlebens als Religionswissenschaftler durchlebt hat kommt zu diesem Resultat.
Buber kennt 3 Sphären der Beziehung:
– Leben mit der Natur
– Leben mit den Menschen
– Leben mit den geistigen Wesenheiten
In jeder Sphäre wird der Saum des ewigen Du sichtbar.
Allein in der Beziehung zum Menschen vollendet sie sich in Rede und Gegenrede und wird damit zum
eigentlichen Gleichnis der Beziehung zu Gott.
Auch die Religionsgeschichtlichen Offenbarungen sind aus Bubers Sicht keine der Alltagswelt entrückten magischen Erscheinungen und die empfangenden Menschen keine passiv – werkzeughaften Sprachrohre:
Ich weiß von keiner (Offenbarung), die nicht im Urphänomen die gleiche wäre, ich glaube an keine. Ich glaube nicht an eine Selbstbenennung Gottes, nicht an eine Selbstbestimmung Gottes vor den Menschen. Das Wort der Offenbarung ist: Ich bin da als der ich da bin… Das Seiende ist da, nichts weiter …
Es geht in diesen Gottesbegegnungen immer um die Beziehung, die der Mensch empfängt.
…und er empfängt nicht einen „Inhalt“, sondern eine Gegenwart eine Gegenwart als Kraft.
Diese Kraft soll ihn nicht dazu bringen, sich in der religiösen Sphäre anzusiedeln (Der Mensch soll auf dem Berg der Verklärung keine Hütten bauen) sondern:
Die Gottesbegegnung widerfährt dem Menschen nicht, auf daß er sich mit Gott befasse, sondern auf das er den Sinn an der Welt bewähre. Alle Offenbarung ist Berufung und Sendung…
So kann man sich letztlich nicht mit Gott befassen, man würde sich nur mit einem Es befassen, das es gibt, unterreden aber kann man sich mit dem ewigen Du im Jetzt und Hier. Und jeder Akt der Erfüllung ist eine Fortführung, eine Steigerung des Dialogs mit dem ewigen Du.
Über die speziellen Fälle der pädagogischen und therapeutischen Beziehung spricht Buber in seinem Nachwort zu Ich und Du.
Es gibt jedoch auch manches Ich-Du- Verhältnis, das sich seiner Art nach nicht zur vollen Mutualität (Gegenseitigkeit) entfalten darf, wenn es in seiner Art dauern soll. … Um den besten Möglichkeiten im Wesen des Schülers helfen zu können, sich zu verwirklichen, muß der Lehrer ihn als diese bestimmte Person in ihrer Potentialität und ihrer Aktualität meinen, genauer, er muß ihn nicht als eine bloße Summe von Eigenschaften,….kennen, er muß seiner als einer Ganzheit inne werden und ihn in dieser Ganzheit bejahen. … muß er diese Situation jeweils nicht bloß von seinem eigenen Ende aus sondern auch von dem seines Gegenüber aus in all ihren Momenten erleben; er muß die Art von Realisation üben, die ich Umfassung nenne. Obzwar es aber darauf ankommt, daß er auch im Zögling das Ich-Du – Verhältnis erwecke, … so könnte doch die besondere erzieherische Beziehung nicht Bestand haben, wenn der Zögling seinerseits die Umfassung übte, also den Anteil des Erziehers an der gemeinsamen Situation erlebte.
Die volle Gegenseitigkeit bleibt dieser Beziehung also versagt. Ebenso geht es in der Psychotherapeutischen Beziehung zu, meint Martin Buber.
… Wenn er sich damit begnügt, diesen zu „analysieren“, d. h. aus seinem Mikrokosmos unbewußte Faktoren ans Licht zu holen … mag ihm manche Reparatur gelingen…. Aber das, was ihm hier eigentlich aufgetragen ist, die Regeneration eines verkümmerten Person-Zentrums wird er nicht zu Werke bringen. Das vermag nur, wer mit dem großen Blick des Arztes, die verschüttete latente Einheit der leidenden Seele erfaßt, und das ist eben nur in der partnerischen Haltung von Person zu Person, nicht durch Betrachtung und Untersuchung eines Objekts zu erlangen. … muß er, wie jener Erzieher, jeweils nicht bloß hier, an seinem Pol der bipolaren Beziehung, sondern auch mit der Kraft der Vergegenwärtigung am anderen Pol stehen und die Wirkungen seines eigenen Handelns erfahren. Wieder aber würde die spezifische, die „heilende“ Beziehung in dem Augenblick enden, wo es dem Patienten beifiele und gelänge, seinerseits die Umfassung zu üben und das Geschehen auch am ärztlichen Pol zu erleben. Heilen wie erziehen kann nur der gegenüber Lebende und doch Entrückte.
(Vergegenwärtigung ist eine Erweiterung des weiter unten genannten Begriffes der „Realphantasie“ wobei hier der Partner nicht nur zur Vorstellung des Willens des Anderen bereit ist (Realphantasie), sondern im Vorgang der Vergegenwärtigung ist er bereit, diesen Willen für sich selbst zu übernehmen. Er verwendet dafür auch den Begriff der Umfassung, welcher den Vorgang meint indem man gleichzeitig bei sich bleibt, aber das Eigene von der Gegenseite aus erfährt. Im modernen wissenschaftlichen Sprachgebrauch ist wohl die Übersetzung in den Begriff der Empathie zulässig.)
Zusammenfassend meint er: Jedes Ich-.Du- Verhältnis innerhalb einer Beziehung, die sich als ein zielhaftes Wirken des einen Teils auf den anderen spezifiziert, besteht kraft einer Mutualität, der es auferlegt ist, keine volle zu werden.
Zwiesprache (1929)
Wie auch das eifrigste Aufeinanderzu-Reden kein Gespräch ausmacht … So bedarf es hinwieder zu einem Gespräch keines Lauts, nicht einmal einer Gebärde. Sprache kann sich aller Sinnenfälligkeit begeben und bleibt Sprache.
Er erweitert hier die Begriffe des Gesprächs und der Sprache über die gängigen Auffassungen zu Mitteln der Begegnung, die über das Austauschen von Zeichen hinaus gehen.
…, die in einer echten Wandlung aus der Kommunikation zur Kommunion, also in einer Verleiblichung des dialogischen Wortes münden.
Es geht ihm um die Begegnung, nicht um das Austauschen von Inhalten. Inhalte treten in der echten Zwiesprache zurück. (Wiewohl Inhalte wichtig sind, aber für die Betrachtung des Dialogischen sind sie in ihrer Vielfältigkeit für die Sicht auf das Wesen des Dialogs unberücksichtigbar.)
Das wird sichtbar in seinen Ausführungen zum Thema Meinungen und Weltanschauungen bis hin zum Religionsgespräch.
Das Dialogische wird über Meinungen hinaus faktisch. („tatsächlich“ im Sinne von Wirklichkeit). Wo die Ich-Du- Beziehung aufsteht, entsteht faktisch Beziehung, die sich über die Meinungen erhebt.
Keiner jener beiden braucht seine Ansicht aufzugeben, nur eben betreten sie, indem sie unversehens etwas tun und ihnen unversehens etwas widerfährt, das Bund heißt, ein Reich, in dem das Gesetz der Ansicht nicht mehr gilt. … Begegnet waren sie sich schon vorher, als sie sich, jeder in seiner Seele, so zueinander hinwandten, daß jeder hinfort, den anderen vergegenwärtigend, wahrhaft zu ihm und an ihn sprach.
So auch seine Position zum Glaubensstreit um die „Einzige religiöse Lehre“.
..denn Luther und Calvin glauben, das Wort Gottes sei so unter die Menschen niedergegangen, daß es eindeutig gekannt werden könne und also ausschließend vertreten werden müsse, ich aber glaube das nicht, sondern das Wort Gottes fährt vor meinen Augen nieder wie ein fallender Stern, von dessen Feuer der Meteorstein zeugen wird, ohne es mir aufleuchten zu machen, und ich selber kann nur das Licht bezeugen, nicht aber den Stein hervorholen und sagen: Das ist es. …
In den öffentlichen Katakomben dieses Harrens gibt es ein eindeutig kennbares und vertretbares Gotteswort nicht, sondern die überlieferten Worte deuten sich uns in unserem menschlichen Einanderzugewandtsein aus. Kein Gehorsam zum Kommenden besteht ohne die Treue zu seiner Kreatur. …
Buber führt weiter aus:
Das Dialogische ist nicht auf den Verkehr der Menschen miteinander beschränkt: es ist … ein Verhalten der Menschen zueinander, das sich in ihrem Verkehr nur eben darstellt.
Es geht also um ein Menschenbild, das durch die Annahme des Anderen als Anderer verwirklicht werden soll.
Er berichtet von 3 Arten der Wahrnehmung:
- Das Beobachten ist ein gespanntes Einprägen, „notieren“, absuchen, aufzeichnen von „Zügen“
Ein Gesicht ist nichts als Physiognomie, Bewegung nichts als Ausdrucksgebärde …
- Das Betrachten ist gekennzeichnet durch eine entspannte Haltung, unbefangene Erwartung. Die Absicht ist nur anfangs gegeben. Es wird nicht alles ins Gedächtnis geladen. Er sagt über den Betrachter:
Am Gegenstand ist im das erheblich, was nicht „Charakter“ und nicht „Ausdruck“ ist
… Alle großen Künstler sind Betrachter gewesen.
Beobachter und Betrachter haben eine „Einstellung“, nämlich den Wunsch wahrzunehmen, und zwar etwas von ihnen Abgetrenntes, das nur deshalb „richtig“ wahrgenommen werden kann, das Wahrgenommene also …
ihm weder Tat abfordert noch Schicksal zufügt.
- Das Innewerden Das Gegenüber wird nicht Gegenständlich erfasst. Es „sagt mir etwas“ ohne unbedingt sprechen zu müssen.
Dieser Mensch ist nicht mein Gegenstand; ich habe mit ihm zu tun bekommen.
… es kommt nur darauf an, daß ich „annehme“. Es ist … mir ein Wort geschehen, das eine Antwort heischt. Diese Antwort kann gleich oder viel später geschehen. Diese Art der Begegnung, der Wahrnehmung ist nicht nur mit Menschen möglich.
Wie können wir die „Zeichen“ erkennen, wann, wie, wo, ein Innewerden, eine wirkliche Begegnung möglich ist? Warum erkennen wir gemeinhin solche Zeichen nicht ?
Es ist die „Panzerung“ die zum Alltag geworden ist, die uns die „Zeichen“ der Anrede schwer erkennen lassen, obwohl sie gewöhnlich da sind.
Die Ätherwellen brausen immer, aber wir haben zumeist unseren Empfänger abgestellt.
Laut Buber verwendet der Mensch die Objektivierung der Welt, z. b. durch die Wissenschaft, dazu, ihn vor dem Angeredet-werden zu schützen, damit ihn das Weltgeschehen nicht anrührt. Der vermeintliche Schutz eines „ihn nicht meinenden“ Ordnungssystems.
Die Person wird aber, so Buber, ständig von der Welt angeredet. Der Unterschied zum Aberglauben, dass die kosmischen Vorgänge eine erfassbare, direkte Bedeutung für das Leben der Person hätten, ist eben, dass es um das immer wieder einmalige Erfahren geht, in dem der Mensch der Welt und somit dem Du begegnet und nicht um eine Geheimbotschaft, die es zu entschlüsseln gilt.
Es gibt dabei keine durchgehende Anwendbarkeit von Regeln, Gesetzen und Analogieschlüssen… Was mir widerfährt, sagt mir etwas, aber was das ist, das es mir sagt, kann mir durch keine geheime Kunde eröffnet werden, denn es ist noch nie zuvor gesagt worden, .., es ist ja gar nicht ein Was, es ist ja mir in mein Leben hinein gesagt … Er bestreitet dabei NICHT die Gültigkeit und Notwendigkeit der Wissenschaft, aber: Der Glaube steht in der Flut der Einmaligkeit, die vom Wissen überspannt wird. Unentbehrlich für die Arbeit des Menschengeistes sind all die Notbauten der Analogik, der Typologik, aber Flucht wärs, sie zu betreten, wenn dich, mich die Frage des Fragenden antritt. In der Flut allein erprobt und erfüllt sich das gelebte Leben.
Aber „wer redet“ denn in diesem „Anreden“?
Der Glaube steht in der Flut der Einmaligkeit, die vom Wissen überspannt wird. Unentbehrlich für die Arbeit des Menschengeistes sind all die Notbauten der Analogik, der Typologik, aber Flucht wärs, sie zu betreten, wenn dich, mich die Frage des Fragenden antritt. In der Flut allein erprobt und erfüllt sich das gelebte Leben.
Aber „wer redet“ denn in diesem „Anreden“?
Nennen wir den Sprecher dieser Sprache Gott, so ist es immer der Gott eines Augenblicks, ein Augenblicksgott.
Martin Buber beschreibt es mit dem „sprechen“ eines Gedichtes, in dem im speziellen Augenblick , ein bestimmtes, uns angehendes, Subjekt spricht, das erst durch mehrere Gedichte desselben Autors sich zum polyphonen Dasein der Person zusammensetzt.
Er plädiert für ein bewusstes Leben jedes Momentes des Alltags, wozu eine Haltung des „Aufmerkens“ notwendig ist. Das lässt keine gewohnte, systematische Routine des „fertig werdens“ mit Situationen zu, sondern braucht ein einmaliges, kreatives Antworten auf diese Anrede, ein „sich einlassen“. Dieses Antworten ist „Verantwortung“.
Was wir so mit dem Wesen sagen, ist unser Eingehen auf die Situation, in die Situation, sie, die uns eben jetzt angetreten hat, deren Erscheinung wir nicht kannten und nicht kennen konnten, weil es ihresgleichen noch nicht gegeben hat. Wir werden nun nicht mit ihr fertig, darauf haben wir verzichten müssen, nie ist mit einer Situation, deren man inne ward, fertig zu werden, aber wir bewältigen sie in die Substanz des gelebten Lebens ein. SO erst, dem Augenblick treu, erfahren wir ein Leben, das etwas anderes als eine Summe von Augenblicken ist. Dem Augenblick antworten wir, aber wir antworten zugleich für ihn, wir verantworten ihn. Ein neu erschaffenes Weltkonkretum ist uns in die Arme gelegt worden; wir verantworten es.
Die Verantwortung verbindet die Person mit der Wahrheit. Dazu braucht es die Wirklichkeit der Person und die Wirklichkeit der Wahrheit.
Die Konsequenzen aus dem bisher gesagten für Moral und Dogma zeigt Buber auf, indem er schreibt:
Und wenn es nichts gibt, was uns das Antlitz des Mitmenschen so verstellen kann wie die Moral, kann die Religion uns wie nichts andres das Antlitz Gottes verstellen. Prinzip dort, Dogma hier, ich weiß die „objektive“ Dichtigkeit des Dogmas zu schätzen, aber hinter beiden lauert der – profane oder heilige – Krieg gegen die dialogische Gewalt der Situation, lauert das Ein-für-alle-mal, das dem unvorhersehbaren Augenblick widersteht.
Buber unterscheidet dreierlei Erscheinungen von Dialog:
- den echten
..gleichwohl geredeten oder geschwiegenen, wo sich durch Hinwendung lebendige Gegenseitigkeit ergibt. Es korreliert mit dem „Innewerden“ und findet in der „Du-Welt“ statt. - den technischen der lediglich durch die Notdurft der sachlichen Verständigung intendiert ist. Er findet in der Es-Welt statt, macht aber Durchbrüche zum echten Dialog möglich.
- den dialogisch verkleideten Monolog
…in dem zwei oder mehrere im Raum zusammengekommene Menschen auf wunderlich verschlungenen Umwegen jeder mit sich selbst reden und sich doch der Pein des Aufsichangewiesenseins entrückt dünken.
Als Beispiele nennt er:
Die Debatte, wo es nur um die Selbstdarstellung geht, nicht um das Bedürfnis etwas mitzuteilen. Die freundschaftliche Unterhaltung, in der man nur selbst gilt und der andere nichts oder weniger. Das Liebesgespräch, in dem jeder nur die eigene Herrlichkeit und das Erlebnis genießt….
Im übrigen gilt, dass dialogisches Leben nicht als etwas angesprochen werden kann, in dem man viel mit Menschen zu tun hat,
sondern eins, in dem man mit dem Menschen mit dem man zu tun hat, wirklich zu tun hat. Monologisch lebend ist nicht der Einsame zu nennen, sondern wer nicht fähig ist, die Gesellschaft, in der er sich schicksalsmäßig bewegt, wesensmäßig zu verwirklichen.
Ein möglicher Irrtum wäre es, das Dialogische mit der Liebe gleichzusetzen, denn:
Mit der Liebe ist die Dialogik erst recht nicht gleichzusetzen.Ich weiß niemand in den Zeiten, der es fertiggebracht hätte, alle Menschen, denen er begegnete, zu lieben. Auch Jesus ….; doch er stand zu diesen wie zu jenen unmittelbar. … Aber Liebe ohne Dialogik, also ohne wirkliches Zum-Andern-ausgehen, Zum-Andern-gelangen und Beim-Andern-verweilen, die bei sich bleibende Liebe ist es, die Luzifer heißt.
Freilich muß man um zum Andern ausgehen zu können, den Ausgangsort innehaben, man muß bei sich gewesen sein, bei sich sein.
Der Beliebigkeit der Nächsten – Liebe erteilt er eine Absage, weil damit die Einmaligkeit der wirklichen Begegung gleichmacherisch eingeebnet wird. Er weist darauf hin, dass aus der Bibel das hebräische Wort für „Genosse“ fälschlicherweise mit „Nächster“ übersetzt wurde. Es braucht aber diese Vereinheitlichung nicht, da es der Welt Gestalt und Struktur nimmt und …
… braucht, wann irgend wir einander nah kommen, nichts zu mitteln, weil wir der gleichen Mitte verbunden sind.
Dazu muss der Mensch sich nicht jedem „Passanten“ nahe sein. Das ist auch gar nicht möglich und menschlich.
Buber verwendet den Begriff Wesenshandlung, wenn er von Handlungen spricht die „mit dem ganzen Wesen“ ausgeführt werden. Diese Wesenshandlungen werden von „Personen“ ausgeführt, nicht von Subjekten oder Individuen. Eine dieser Wesenshandlungen nennt er Grundbewegung, sie ist eine spontane „Haltung“ die die Person von innen her erfasst und sich
… bis in die Spannung der Augenmuskeln und bis in den Auftritt der Fußsohle …
aufbaut. Auch hier wird die Verwobenheit von „Innerem und Körper“, die Verwobenheit von Seelischem, Göttlichem und Weltlichem deutlich. Die dialogische Grundbewegung ist „Hinwendung“.
Die monologische Grundbewegung ist NICHT Abwendung, sondern „Rückbiegung“. Damit ist aber nicht „Egoismus“ gemeint oder die Beschäftigung mit seinem Selbst, sondern das „an die Stelle setzen“ einer Erweiterung des Ego an den Platz der Begegnung und somit die Verstellung zum Zugang zur Wirklichkeit.
… und den Andern nur als das eigne Erlebnis, nur als eine Meinheit bestehen läßt. Da wird denn Zwiesprache zum Schein, … wird nur noch gespielt, und in der Ablehnung des gegenüberlebenden Wirklichen beginnt sich die Essenz aller Wirklichkeiten zu zersetzen.
Die Erforschung des „Urgrundes“ erfährt auch ihre Begrenzung, wenn diese Erforschung nur in der eigenen Seele, nur in der Innenwendung stattfindet, denn da, so meint Martin Buber könne man eben „nur“ auf den Grund der eigenen Seele tauchen, der einem als Urgrund erscheinen möge, es aber nicht ist. Es ist eben nur EINE Menschenseele, nicht die „Allseele“. Die Vielfältigkeit der Seelen in der Welt wird dabei nicht mehr gesehen. In der so gefundenen „Einheit“ ist der Mensch für Buber
nicht oberhalb, sondern unterhalb der Zwiesprache. Er ist der Verborgenheit Gottes, die über Ich und Du ist nicht näher und der Zugewandtheit Gottes … ferner als jener andre..
Von all den menschlichen Phänomenen, scheint das Denken das monologischste zu scheinen. Aber Buber vermutet auch hier das dialogische Element, in dem er die platonische Idee vom Denken als „Gespräch der Seele mit sich selbst“ von der Interpretation als reines „Selbstgespräch“ wegführt, hin zu einem Anreden des
Grundverhältnisses, dem gegenüber er seine Einsicht, oder die Ordnung, der gegenüber er die neu eintretende Begriffsgestalt zu verantworten hat.
Auch nach der reinen Entstehung des Gedankens, wenn es in die Erprobung der Gedanken im inneren Dialog geht, bestreitet Buber einen per se monologischen Vorgang, sondern sieht auch hier den Denker im Gespräch mit einem DU, mit dem Genius, dem mit ihm intendierten Geist.
Auch im Eros spricht Buber die mögliche zwiefältige Haltung des Menschen an. Diesen eben „beflügelt“ in einer Ich-Du Begegnung zu erleben, oder flügellahm in der Es-Welt der reinen Spiegelung (des Individuums).
Die zwei Getreuen des dialogischen Eros, die einander lieben, bekommen jeder das gemeinsame Ereignis auch vom andern aus, also von seinen beiden Seiten her, zu empfinden, und so erst, nun erst begreifen sie Ereignis körperhaft. Das Reich des flügellahmen Eros ist eine Welt von Spiegeln und Spiegelungen…. Der dialogische Eros hat die Einfalt der Fülle; der monologische ist vielfältig.
Auch im gemeinsamen Leben der Menschen tritt diese Zweifältigkeit auf und Buber unterscheidet zwischen „Kollektiv“ und „Gemeinschaft“.
Kollektiv ist „Bündelung“, zusammenpacken von Individuen, gemeinsam ausgerichtet etc. Gemeinschaft (die immer eine werdende ist) ist eben nicht ein Nebeneinander von Gebündelten sondern ein Beieinander sein einer Vielheit von Personen. Im Kollektiv schwindet die Personenhaftigkeit, in der Gemeinschaft wird sie gesteigert und bestätigt.
Kein Weg führt zu einem Ziel anderer Art als die seine (Art).
Die Frage an den Einzelnen (1936)
In dieser Schrift erörtert Buber, ausgehend von Kierkegaards „Einzelnem“ und anderen philosophischen Konzepten (z.b. Max Stirner) mit dem dialogische Prinzip vom Individuum aus gesehen auseinander.
Am Anfang nimmt Buber Klärungen vor, was in den philosophischen Traditionen mit „Einzelner“ gemeint ist. Er arbeitet seine Auffassungen im Spannungsbogen von Kierkegaards „Einzelnem“ und Max Stirners „Einzigem“ heraus. Während Max Striners Einziger das alleinig primär existierende ist und die Welt nur „gehabt“ wird und es desshalb kein Du gibt, auch keine Wahrheit, denn „Ich allein bin die Wahrheit“, ist Kierkegaards Einzelner die notwendige Vorbedingung zur Gottesbegegnung, denn der Einzelne entspricht Gott und nur deßhalb ist er Wahrheit. Laut Kierkegaard soll eben JEDER Einzelne Mensch ein Einzelner werden, dessen Ziel die (ausschließliche ! – alle anderen ausschließende) Beziehung zu Gott ist, wohingegen Stirners Einzigem die Anderen primär nichts angehen. Buber setzt ein sprachliches Bild ein:
Stirner führt die Leute aus allerhand Gassen aufs offne Feld, wo jeder der Einzige und die Welt sein Eigentum ist. Da tummeln sie sich nun in eitel Unverbindlichkeit. … Kierkegaard führt an einen „Engpaß“: seine Aufgabe sei, „die Vielen“ womöglich zu verlassen, einzuladen, zu bewegen durch diesen Engpaß, „der Einzelne“, hindurchzudringen, durch den jedoch wohl zu merken, niemand dringt, ohne „der Einzelne“ zu werden; … Ich meine aber, daß in der tatsächlichen Geschichte der Weg an diesen Engpaß über jenes offene Feld führt, das zuerst Individualegoismus und dann Kollektivegoismus und dann mit seinem wahren Namen Verzweiflung heißt. Gemäß der Paradoxie der christlichen Aufgabe weiß Kierkegaard, dass kein Mensch von sich sagen kann, der Einzelne geworden zu sein, da ja immer noch ein höherer Sinn der Kategorie unerfüllt über ihm bleibe; Aber dennoch KANN jeder Mensch ein Einzelner WERDEN. Der Weg ist, sich von Gott helfen lassen zu wollen. Bubers Position dagegen klingt an in:
Nur wenn ich mit einem Anderen wesentlich zu tun bekomme, so also, daß er gar nicht mehr ein Phänomen meines Ich, dafür aber mein Du ist, nur dann erfahre ich die Wirklichkeit des Mit-einem-redens – in der unverbrüchlichen Echtheit der Gegenseitigkeit.
Im Gegensatz zu Kierkegaard „Um zum Lieben zu kommen, mußte ich den Gegenstand entfernen“ (über seine Lossagung von Regine Olsen) sagt Buber : Die Schöpfung ist keine Hürde auf der Bahn zu Gott, sie ist diese Bahn selbst. Wir sind miteinander erschaffen und auf ein Miteinander zu. .. Ein durch Ausschluß ihrer (der Geschöpfe) zu erreichender wäre nicht der Gott aller Wesen, in dem sich alles Wesen erfüllt.
Kierkegards Gott ist aber einer in dem sich nur die parallelen Gottzugänge der Einzelnen schneiden. Buber nennt es eine religiöse Einsamkeitslehre.
Buber meint zwar, dass es hie und da notwendig sei sich zu besinnen, zum Einzelnen zu werden, um aus der Verkapselung der Welt in die eine, unbedingte Bindung (zu Gott) in der Einsamkeit einzutauchen, aber sie darf uns nicht den Wesen entreißen wollen, denn …
dann verginge sie sich gegen ihr Gesetz und verschlösse uns, statt uns, wie es ihres Amtes ist, zu befähigen, die Pforten der Endlichkeit offen zu halten.
Im Gegensatz zu Kierkegaard, für den der „Einzelne Gott entspricht“ und gleichzeitig Gott zum unendlichen Ego erklärt, also ein Gott, der über dem Chaos seiner Schöpfung schwebt, ist Bubers Gottesbegriff der eines die Schöpfung umfangenden Gottes.
Er ist das unendliche Ich, das alles Es zu seinem Du macht. Also entspricht der Einzelne dann Gott, wenn er das ihm zugeteilte Stück Welt menschlich umfängt. … zu den ihn umlebenden Wesen Du sagt.
… Gott ist nicht ein Gegenstand neben Gegenständen und kann daher nicht durch Verzicht auf Gegenstände erreicht werden. … Er ist nicht durch Abzug zu finden und nicht durch Abstrich zu lieben.
Auch im Bezug zur Gesellschaft, wie zur Gruppe, wird ein Unterschied der Auffassungen deutlich. Für Buber ist zwar durch die Gemeinschaft, die Vielheit, die personhafte Wesensentscheidung durch Kollektiventscheidungen dauernd bedroht, jedoch bleibt im Moment der Entscheidung dem Einzelnen die Verantwortung für sein Tun, eben im Angesicht des Du von Situation zu Situation. Es ist eine Verantwortung vor Gott. Er kann, soll, muss die Interessen und Meinungen von Gruppen und Führern mit einbeziehen, aber die Verantwortung für die Wahl seines Tuns bleibt ihm allein. Als Fingerzeig bleibt ihm dabei nur sein Gewissen.
So definiert Buber Geschichte als den Zusammenhang der Machtverantwortungen in der Zeit. Damit hält Verantwortung Einzug in den Begriff, also dem Menschen als eine Person mit einem Verhältnis zur Wahrheit. In dem Moment, so Buber, kann der Mensch nicht mehr biologisch allein erfasst werden, da eben zur Macht – handlung die Macht – verantwortung hinzutritt.
Zum Problem Gut oder Böse des Menschen vertritt Buber die Ansicht des „Gut-und-Böse seins“ als faktische Beeinträchtigung, keine Wesenswandelnde. Das bedeutet, dass „das Böse“ kein Konkurrent Gottes ist, daher nicht die Macht hat zu zerstören, ja nicht einmal der tatsächliche Gegensatz zum „Guten“ ist, mit Bubers Worten
der Wirbel der richtungslos kreisenden Möglichkeitskraft des Menschen, ohne die nichts gerät, durch die, nimmt sie die Richtung nicht an und bleibt sie verfangen, alles mißrät.
Das Böse ist also Richtungslosigkeit, nicht aktive Gegenkraft. Im Biblisch – Paradiesischen Sinne ist das „Gut-und-Böse sein“ des Menschen, seine ursprüngliche Fähigkeit „Gut und Böse kennend“ zu sein.
Am Ende der „Frage an den Einzelnen“, eben im Kapitel „Die Frage“ spricht Buber die soziologisch – psychologische Erkenntnis an, dass der Mensch in seinen Denkprozessen stark von Sozialprozessen beeinflusst ist, räumt ihm aber die Fähigkeit ein, diese Bedingtheiten zu „sprengen“, Kraft seines „Wahrheitswillens„. Er postuliert somit, dass nicht alles, was sich dem Menschen als Wahrheit ergibt sozial ableitbar sei, sondern, dass es auch Unableitbares gibt.
Erst dann ist der Mensch frei zu verantworten.
Ist bei Kierkegaard die Wahrheit an die Verantwortung der Person gebunden, so ist sie bei Stirner an die Unverantwortlichkeit der Person gebunden, da nur „Wahr ist“, „was Mein“ ist.
Buber appelliert an den Glauben des Menschen an die Wahrheit als ein von ihm Unabhängiges, das er nicht innehaben kann, zu dem er aber in ein lebensmäßiges Realverhältnis zu treten vermag.
Aus diesem Bestreben ersteht die Verantwortung des Einzelnen, der dadurch wirklich wird und aus diesen Einzelnen kann echte Gemeinschaft und echtes Gemeinwesen werden. Dieses öffentliche Wesen erneuert sich ständig durch das verantwortliche Ringen seiner Einzelnen um die Wahrheit.
Das Problem des Menschen (1948)
Buber beschreibt in „Das Problem des Menschen“ die Sphäre des Zwischen. Sie ist eine Urkategorie der menschlichen Wirklichkeit, wenn sie sich auch in sehr verschiedenen Graden realisiert. Das wird verstehbar indem man:
…eine Beziehung zwischen menschlichen Personen nicht mehr, wie man gewohnt ist, entweder in den Innerlichkeiten der Einzelnen oder in einer sie umfassenden und bestimmenden Allgemeinwelt lokalisiert, sondern faktisch zwischen ihnen.
Er sieht das „Zwischen“ als etwas OntischesDie Ontologie ist eine Disziplin der theoretischen Philosophie. In der Ontologie geht es einerseits um Grundstrukturen der Realität. Dieser Gegenstandsbereich ist weitgehend derselbe, der nach traditioneller Terminologie „allgemeine Metaphysik“ genannt wurde.(aus Wikipedia) on|tisch ‹zu →onto…›: als seiend, unabhängig vom Bewusstsein existierend verstanden, dem Sein nach (Philos.). … (aus Duden – online).
Das Reich des Zwischen ist Jenseits des Subjektiven, diesseits des Objektiven, auf dem schmalen Grat, darauf Ich und Du sich begegnen.
Bildhaft übersetzt begründet die Distanz die Anderheit des Anderen, und die Beziehung webt ein Netz zwischen Ich und Du. Distanz und Beziehung gleicht einem Kraftfeld, deren Pole Ich und Du sind. Diese Pole sind durch Distanz auseinandergerückt und durch Beziehung einander zugeordnet. Das „Zwischen“ ist die Manifestation des Kräftewirkens zwischen ich und Du. (aus „Marin Buber“ von Gerhard Wehr – rororo)
Der Begriff des „Zwischen“ steht außerhalb der Begriffswelt von „Einzelner“ oder „Gesamtheit“ , denn diese sind nur mächtige Abstraktionen wohingegen das „Zwischen“ ein eigentümliches Konkretum der Menschenwelt ist. (aus „Marin Buber“ von Gerhard Wehr – rororo)
Elemente des Zwischenmenschlichen (1936)
Einleitend scheidet hier Buber was sich zwischen den Menschen begibt aus dem „sozialen“, welches ihn in der Gruppe meint, heraus. Er nennt es die Dimension des Zwischenmenschlichen dessen wesentliche und entscheidende Kennzeichnung das „Nicht-Objekt-sein“ ist. Ob Freund, Gegner oder Zufallsbekanntschaft:
Es kommt auf nichts anderes an, als daß jedem von zwei Menschen der andere als dieser bestimmte Andere widerfährt, jeder von beiden des andern ebenso gewahr wird und eben daher sich zu ihm verhält, wobei er den andern nicht als sein Objekt betrachtet und behandelt, sondern als seinen Partner in einem Lebensvorgang, sei es auch nur in einem Boxkampf.
Er unterscheidet es auch vom soziologischen Beziehungsbegriff, der ein andauerndes Verhältnis zwischen Individuen beschreibt. Er bezieht das Zwischenmenschliche auf den Augenblick des aktuellen Ereignisses zwischen Menschen. Das Zwischenmenschliche ist die Sphäre in der sich die Personen befinden; die Entfaltung nennt er das Dialogische. Er will den Begriff auch vom psychischen getrennt wissen, weil das psychische zwar aufgrund der Seelenhaftigkeit des Menschen immer dabei ist, das Zwischenmenschliche sich aber nicht in einer der beiden Seelen und auch nicht in beiden gemeinsam ereignet, sondern eben zwischen ihnen.
Buber nennt zwei Arten von menschlichem Dasein:
- Leben vom Wesen aus.
(Ist bestimmt von dem was einer ist; Er blickt spontan und offen;Es macht das Zwischenmenschliche möglich. - Leben vom Bilde aus.
Wie einer erscheinen will; Er macht den Blick, wollend dass der Andere etwas Bestimmtes in ihm sieht. Es hindert die zwischenmenschliche Begegnung, weil es existentiell belügt.
(Buber stellt auch eine Sonderform vor, wo das Scheinen sich nicht auf eine Lüge, sondern auf ein Nachahmen, auf ein Werden – Wollen bezieht und sieht dies nicht als eine Hinderung der zwischenmenschlichen Begegnung an.)
Im realen Leben sind diese Seinsweisen vermischt und es ist vielmehr zu unterscheiden welche der beiden im wesentlichen Verhalten vorherrscht.
Wenn sich Menschen nicht als das zeigen, was sie sind, können sie einander auch nicht begegnen. Der unabdingbare Faktor ist Authentizität. Wer nicht authentisch ist, kann auch nicht in seinem realen Sein bestätigt werden und fürchtet immer mehr diese Nicht – Bestätigung und wird dadurch immer mehr von der Bestätigung des Bildes, des Scheins abhängig. Da wird aber nicht er bestätigt, sondern seine Bilder, seine Schemen, seine Gespenster.
Natürlich ist auch hier die Grundlage die Ich – Du Beziehung; den Anderen als wesenhaft Anderen anzunehmen als einen So – Seienden. Buber nennt es auch des Anderen innewerden. Einvernehmen ist dazu nicht notwendig.
Eines Menschen innewerden heißt also im besonderen seine Ganzheit als vom Geist bestimmte Person wahrnehmen, die dynamische Mitte wahrnehmen, die all seiner Äußerung, Handlung und Haltung das erfassbare Zeichen der Einzigkeit aufprägt. …. Darum bezeichne ich das Innewerden in diesem besonderen Sinne als personale Vergegenwärtigung.
Er nennt ein Element, eine Fähigkeit, die ihm geeignet scheint, dem Prozess des Innewerdens des Anderen behilflich sein zu können. Er nennt es Realphantasie, gemeinhin bekannter, wenn auch undeutlicher als Intuition bezeichnet.
Ich meine die Fähigkeit, sich eine in diesem Augenblick bestehende, aber nicht sinnenmäßige erfahrbare Wirklichkeit vor die Seele zu halten. Auf den Umgang zwischen Menschen angewandt, bedeutet Realphantasie, daß ich mir vorstelle, was ein anderer Mensch eben jetzt will, fühlt, empfindet, denkt und zwar nicht als abgelösten Inhalt, sondern eben in seiner Wirklichkeit, das heißt, als einen Lebensprozeß dieses Menschen (aus Urdistanz und Beziehung 1951)
Diese Fähigkeit ist gefragt, wenn es z.b. darum geht, wenn der Andere etwas fragen oder sagen möchte, dies aber nicht wagt oder wenn ein Lehrer erkennen möchte, wo die Möglichkeiten eines Schülers liegen – also im Falle indirekter Kommunikation.
Es ergeben sich zwei Momente, die das Wachstum des Zwischenmenschlichen hemmen:
- Der Schein (siehe oben)
- Die Unzulänglichkeit der Wahrnehmung.
Er nennt auch die zwei Grundweisen auf Menschen einzuwirken:
Die Erziehung
Sieht das Individuum als Person; als einmalig; Besonders
Er lernt kennen um der individuellen Entfaltung zu dienen.
Förderung; Entfaltung
Der Erzieher erlegt nicht auf, er stellt sich zur Verfügung für die aktualisierenden Kräfte des Anderen.
Die Propaganda
Den Propagandisten geht die Person nichts an.
Er muss nur kennenlernen um auszunutzen
Bemächtigung; Depersonalisation
Sublimer Zwang
Er macht im Folgenden deutlich:
Der Mensch ist nicht in seiner Isolierung, sondern in der Vollständigkeit der Beziehung zwischen dem einen und dem anderen anthropologisch existent: erst die Wechselwirkung ermöglicht, das Menschentum zulänglich zu erfassen.
Die Voraussetzungen dafür und für das Zwischenmenschliche sind:
- Kein Scheinen
- Vergegenwärtigung der Peson (Ich – Du)
- Keine Auferlegung. (Zwang, Manipulation)
Die Einwirkung ohne Auferlegung ist keine Voraussetzung aber ein Element, das geeignet ist, das Zwischenmenschliche auf eine höhere Stufe zu heben.
Die Merkmale des echten Gesprächs sind:
- Hinwendung (siehe oben)
- Sich einbringen in Rückhaltlosigkeit. (Nichts Zurück – halten. Nicht zu verwechseln mit dem Drauf-los-reden)
- Überwindung des Scheins = Authentizität (siehe oben.)
Gespräch und Begegnung sind Vehikel, eben „Elemente des Zwischenmenschlichen“. Buber nennt es die zur Sprache gewordene Gegenseitigkeit. Begegnung im eigentlichen Sinne ist aber nur möglich durch das „elementare In-Beziehung-treten“ denn dadurch geschieht personale Vergegenwärtigung. Die dazu nötige Wesensverfassung ist „Hinwendung“, sie ist gleichzeitig Grundvoraussetzung für Begegnung und Gespräch.
Zur Geschichte des dialogischen Prinzips (1954)
Buber zeichnet darin zuerst eine Entwicklungsgeschichte der Ausformulierungen des Dialogischen beginnend bei
- Friedrich Heinrich Jacobi 1785Friedrich Heinrich Jacobi (* 25. Januar 1743 in Düsseldorf; † 10. März 1819 in München) war ein deutscher Philosoph, Jurist, Kaufmann und Schriftsteller.: „Ohne Du ist das Ich unmöglich“
- über Ludwig Feuerbach (1804-1872), der in weiterer Ausformulierung Jacobis zuerst formuliert: „Das Bewußtsein der Welt ist für das Ich vermittelt durch das Bewußtsein des Du“ um dann den Standort einer neuen Denkweise zu betreten mit: „Der Mensch für sich ist Mensch (im gewöhnlichen Sinn); der Mensch mit Mensch – die Einheit von Ich und Du ist Gott“.
Feuerbach bleibt hier aber in „einer schlechten Mystik“ stecken, denn seiner Meinung nach wäre die Formulierung: die Einheit von Ich und Du ist Mensch (im eigentlichen Sinn) gehaltvoller als die pseudomystische Konstruktion zu der sich Feuerbach versteigt.
zu
- Sören Kierkegaard (1813-1855) Die Ausschaltung Feuerbachs mystischer Konstruktion wird durch ihn erleichtert. „Der Einzelne“ ist die entscheidende Voraussetzung für die oberste Wesensbeziehung. Dieser solle zwar auch im Verhalten zum Mitmenschen als Einzelner handeln, dieses Verhältnis ist bei Kierkegaard aber keine Wesensbeziehung.Während Feuerbach in einem scheinmystischen Atheismus stecken bleibt, bleibt Kierkegaard in einem Nebeneinander von Du und Du stecken.
und danach zu
- Hermann CohenHermann Cohen (1842-1918) war einer der großen akademischen Philosophen Deutschlands an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert. Er lehrte an der Universität Marburg (1875-1912) sowie an der „Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums“ in Berlin (1913-1918). Als herausragender Vertreter neukantianischen Denkens sowie einer philosophisch orientierten „Wissenschaft des Judentums“ hat er wichtige Grundlagen für die theoretische und ethische Orientierung in der wissenschaftlich-technischen Zivilisation geschaffen.
der 1919 die Sicht des Du erneuert. Cohen formuliert, dass „erst das Du, die Entdeckung des Du mich selbst zum Bewußtsein meines Ich“ bringt. Es ist „die Persönlichkeit“, die „durch das Du an den Tag gehoben wird“. Völlig neu ist aber die Formulierung der „Korellation“ , der Wechselbezogenheit von Mensch und Gott als etwas, das „nicht in Vollzug“ treten kann, wenn nicht vorerst an der eingeschlossenen Korrelation von Mensch und Mensch.
und zu
- Franz Rosenzweig (1886 – 1929) als Schüler Cohens.
Dessen bedeutungsvoller theologischer Beitrag ist das Verstehen des Du als ein „gesprochenes“ wo sich mit dem biblischen „Ich habe dich beim Namen gerufen. Du bist mein.“ Gott „als Urheber und Eröffner dieses ganzen Zwiegesprächs zwischen ihm und der Seele“ zeigt.
und
- Ferdinand EbnerFerdinand Ebner (* 31. Januar 1882 in Wiener Neustadt; † 17. Oktober 1931 in Gablitz) war ein Volksschullehrer und Philosoph,
der wie Kierkegaard nicht über den ananthropisch sich verhaltenden Einzelnen hinauskommt.
Hier kommt Martin Buber auf sich zu sprechen. Soweit er sein Denken aus seiner Biografie erklärt möchte Ich auf den biografischen Anfangsteil dieses Textes verweisen. Er nennt in der Folge diverse Denker und Personen der Zeitgeschichte, wie Grisebach und Jaspers, deren genauere Untersuchung den Rahmen dieses Textes sprengen würde. Der kritischen Betrachtung, der von ihm genannten „freien Philosophie“ schließt er an:
Wir hatten erkannt, daß eben dasselbe Du, das von Mensch zu Mensch geht, eben dasselbe ist, das vom Göttlichen her zu uns niederfährt und von uns her zu ihm aufsteigt. Um dieses Gemeinsame in der äußersten Ungemeinsamkeit ging es und geht es.