Selbstbestimmung und Selbstermächtigung in der Psychotherapie
Ohne Selbstbestimmung kein Lebensglück – so einfach ist es….
… und so schwer ist es sie zu erlangen, vor allem in Zeiten, die sich immer rascher und intensiver auf autoritäre und totalitäre Lebenswelten zuzubewegen scheinen.
Der Selbstbestimmung und die Erlangung derselben kommt in der Psychotherapie zentrale Bedeutung zu, denn sie ist ein ureigenstes Grundbedürfnis des Menschen, zumindest bevor er sich selbst entfremdet wurde.
Diese Entfremdung findet in verschiedenen Lebensphasen ab der Zeugung statt und schichtet sich aufeinander. Sie wird durch Bedingungen befördert, die eben dann durch sich selbst entfremdete Menschen und die von ihm geformten Systeme geschaffen werden.
In den frühem Lebensphasen (Praenatale/Perinatale Phase) kommt der Angst eine besonders zentrale Bedeutung zu, wenn die zu erwartende Liebe und Sicherheit ausbleibt. (Die Gefühle und Empfindungen der Eltern durchströmen ungefiltert das beginnende Leben – das ist u.U. eine reale Lebensbedrohung) Hier wird ein biologischer Prozess verankert, der durch diese extrem unangenehme psychoide Empfindung und die damit verbundene Lebensbedrohung, die Grundlage für Rückzug und/oder Abspaltung schafft.
Diese Bedingungen dauern natürlich in der weiteren Folge an und die dann hauptsächlichen Wirkkräfte sind sozialer Natur. Eltern, die in diesen Systemen funktionieren müssen, greifen zu dem Mittel der „Objektivierung“ um das Kind für das Leben in diesen Systemen „fit“ zu machen und um ihre eigene emotionale Bedürftigkeit zu beruhigen. Das geschieht dadurch, dass die Beziehungspersonen, das Kind nicht als Subjekt (Was willst DU, wer bist DU) sehen und behandeln, sondern als Objekt. (Was/Wer SOLLST du sein, Was will ICH von dir.). Das Kind lernt und versteht „was gewollt wird“ und riskiert bei Widerstand, den Verlust von Liebe und Sicherheit, was den bereits psychoid/biologisch verankerten obig beschriebenen Prozess der Angst auslöst. Dieser Prozess der „Objektivierung“ wird gut von Gerald Hüther (z.b.: „Sei niemals Objekt“) beschrieben. Dies führt zu einer ganzen Reihe an pathologischen Reaktionsmustern, von denen die noch relativ „Beste“ ist, dass das Kind beginnt, selbst seine Beziehungspartner zu Objekten zu machen und ihnen nur mehr als Objekte begegnet. Es findet keine Begegnung (z.b. im Sinne von Marin Buber – siehe: Dialog und Begegnung) mehr statt, sondern nur mehr „Vergegnung“. Der Mensch „gewöhnt“ sich daran, manipuliert (fremdbestimmt) zu werden und zu manipulieren. Jeder Widerstand löst eben die Angstkaskaden aus, die mehr oder weniger bewusst erlebt werden.
So gesehen befinden wir uns an einem Kulminationspunkt jenes Prozesse, den Max Stirner bereits 1844 beschrieben hat:
[An dem Eingange der neuen Zeit steht der „Gottmensch“.
Wird sich an ihrem Ausgange nur der Gott am Gottmenschen verflüchtigen, und kann der Gottmensch wirklich sterben, wenn nur der Gott an ihm stirbt? Man hat an diese Frage nicht gedacht und fertig zu sein gemeint, als man das Werk der Aufklärung, die Ueberwindung des Gottes, in unsern Tagen zu einem siegreichen Ende führte; man hat nicht gemerkt, daß der Mensch den Gott getötet hat, um nun —„alleiniger Gott in der Höhe“ zu werden.
Das Jenseits außer Uns ist allerdings weggefegt, und das große Unternehmen der Aufklärer vollbracht; allein das Jenseits in Uns ist ein neuer Himmel geworden und ruft Uns zu erneutem Himmelsstürmen auf: der Gott hat Platz machen müssen,aber nicht Uns, sondern — dem Menschen.
Wie mögt Ihrglauben, daß der Gottmensch gestorben sei, ehe an ihm außerdem Gott auch der Mensch gestorben ist?
Damit meint Stirner, dass sich der Mensch zwar von der bedingungslosen Untwerwerfung unter äußere Autoritäten zu befreien glaubte, er aber seinen inneren Autoritäten Sklave geblieben ist.
Damit bleibt er aber natürlich weiterhin Untertan von ihm fremden Interessen, wird seiner selbst entfremdet und somit Fremdbestimmt.
Ein Mensch, der sich selbst nicht spürt, nicht kennt, der erst „einer werden muss“ ein „sozialer“, ein „guter“ ein „richtiger“ Mensch WERDEN MUSS, der geht nicht VON SICH AUS – er geht erst „AUF SICH ZU“, und ist so mit „AUSSER SICH“ – ein Ver-rückter.
Darum geht es zentral in der Psychotherapie. Die Anerkennung und Erfahrung des SELBST im Jung’schen Sinne hinter dem ICH (Persona). Diese Erfahrung macht der Mensch u.a. im ehrlichen Betrachten seines Handelns, was Ludwig von Mises in der Praxeologie/menschliches Handeln beschrieben hat. Dies führt zur Entkleidung der Narrative und einer Neu-Orientierung und Neu-Bewertung und damit zur Selbst-Ermächtigung und Selbst-Verantwortung im Bezug auf das eigene Leben und Handeln und damit zu Selbst-Bestimmung.
In einer woken Zeit, die von Moralisierung und Alternativlosigkeit durchsetzt ist, ist es extrem schwer geworden, zu sich selbst zu kommen. Nahezu alle gesellschaftspolitischen „Maßnahmen“ zielen darauf ab, dem Individuum einen kollektivistischen Gott einzupflanzen, mit der Deutungshoheit einer neuen Priesterkaste, zumeist repräsentiert durch die Medien als Massenvervielfältiger der Parolen die das Individuum zu fremdbestimmten Zielen treiben soll.
Die Objektivierung, dem das Kind unterworfen wird (Du bist kein Subjekt – dein Wollen und Sein ist nicht von Belang – es geht darum, was WIR wollen, was du sein SOLLST) wird hier auf allen systematischen Ebenen wiederholt und verstärkt. Dies führt zu entfremdeten, entmenschten Individuen, die sich nur mehr „vergegnen“ können und daher „Leitung“ benötigen um zum, wie es Marx/Hegel formulierte Endziel der Geschichte (als mythisches Wesen) zu gelangen.
Damit das auch funktioniert ist eines von immenser Bedeutung: Das Aufrechterhalten der Angst als zentraler Motor der Beherrschung.
Wie kann Psychotherapie, deren Ziele (Lebensglück, Wohlbefinden … ) in solcher Umgebung sich positionieren ?
Sie kann sich nur im Widerspruch befinden. Sie befördert Selbstbestimmung, Selbstermächtigung und Begegnung und somit die echte Anerkennung des Anderen als Subjekt als wirklich gelebte Liebe und Solidarität „aus sich heraus“ an Stelle des gefakten Lebens der Schein-Heiligkeit.